Energie ist ein Dauerthema

Siebzig mobile Reparaturteams arbeiten ununterbrochen

Blick auf eine Umspannstation
Umspannwerke - immer wieder Ziel russischer Angriffe.

Roman steht in einer blau-orange-grauen Montur samt Helm vor einer Umspannstation irgendwo in der Ukraine. Mit ernster Miene und entschlossener Stimme sagt er: „Trotz des Beschusses und all der Attacken haben wir durchgehalten.“ Während er spricht, wendet er seinen Kopf und deutet auf die Energie-Anlagen hinter sich. „Das ist unser Beitrag zur Unabhängigkeit der Ukraine, ganz besonders zur Energieunabhängigkeit. Wir werden nicht zulassen, dass wir unsere Unabhängigkeit verlieren.“

Roman leitet eine Einheit des staatlichen Energieversorgers Ukrenergo – der Betreiber des Stromnetzes in der Ukraine. Seine starken Worte haben einen Grund: Das russische Militär fliegt gezielte Angriffe auf das Stromnetz in der Ukraine, meist mit Raketen, häufig aber auch mit Drohnen. Noch im Februar gab es wieder verschiedene Angriffe dieser Art; sie betrafen auch die Hauptstadt. Ihr Bürgermeister Vitali Klitschko meldete etwa am 7. Februar, ein Teil Kyjiw leide unter Stromausfall, weil zwei Hochspannungsleitungen getroffen worden seien. Ähnliches ist wiederholt und seit März, April verstärkt aus allen möglichen Landesteilen zu hören.

Gezielte Angriffe von russischer Seite

Besonders drastisch war es schon im Winter davor, nach dessen Ende Ukrenergo Bilanz zog und zwischen Oktober und Februar 15 massive Angriffswellen mit Raketen und 18 solcher Wellen mit Drohnen auf das Stromnetz zählte, bei denen insgesamt 1.500 Raketen und Drohnen zum Einsatz kamen. Mehr als 200 von ihnen trafen Ukrenergo-Objekte direkt. Dadurch wurden fast die Hälfte der Übertragungsleitungen und bis zu 60 % der Kraftwerke beschädigt oder sogar zerstört, die Erzeugungskapazität sank deutlich. Das führte immer wieder zu Stromausfällen, zu Instabilitäten und zu Einschränkungen im ohnehin anstrengenden Alltag der Ukrainerinnen und Ukrainer. Jede Stunde waren Ukrenergo zufolge damals bis zu 12 Millionen Menschen ohne Licht. Das betraf auch Städte wie Kyjiw, die weit weg von der Front liegen.

Deshalb zählt die permanente Arbeit am Stromnetz zu den wichtigsten Zielen der ukrainischen Regierung, ist doch Elektrizität für fast alles eine unabdingbare Voraussetzung. Ob Betriebe, Schulen oder Krankenhäuser, ob Wohnungen oder Heizungen – immer ist Strom im Spiel.

Permanente Reparaturen nötig

Siebzig mobile Reparaturteams mit rund 1.500 Spezialisten hat Ukrenergo im Einsatz. Sie arbeiten 24 Stunden an sieben Tagen. Unter hohem Risiko für ihr Leben versuchen sie, Schäden nach Angriffen so schnell wie möglich zu beheben. Aber wenn gleich ein ganzes Umspannwerk oder ein Kraftwerk getroffen wurden, dann ist der Wiederaufbau komplizierter und kostspieliger.

Vor diesem Hintergrund unterstützt die KfW Entwicklungsbank die Ukraine im Auftrag der Bundesregierung und der EU dabei, die Strominfrastruktur zu reparieren und zu erneuern, bisher im Umfang von 350 Mio. Euro. Ziel ist, das Netz neben dem Wideraufbau gleichzeitig zu schützen, zu modernisieren, energieeffizienter zu gestalten und an die Standards der EU anzugleichen – um aus der Not eine Tugend zu machen. Tatsächlich gelang es mit Unterstützung der KfW und Anderer, 95 % des Hochspannungsnetzes vor Beginn der Winterperiode 2023-2024 wieder herzustellen.

Weiter in das EU-Verbundnetz integrieren

Während der Wiederaufbaumaßnahmen kommt auch moderne Technologie zum Einsatz; sie hilft dabei, das ukrainische Netz weiter in das europäische Verbundnetz zu integrieren. Außerdem lassen die Neuerungen mehr regenerative Energien zu; auch das schafft ein Stück mehr Energiesicherheit. Nur durch ein flexibles und modernes Netz und Austauschmöglichkeiten mit dem europäischen Stromverbund lassen sich Schwankungen ausgleichen, wie sie bei der Produktion von Solar- und Windstrom typischerweise entstehen. Zusätzlich werden Anlagen errichtet, um die Strominfrastruktur der Ukraine gegen weitere Angriffe zu schützen.

Das Netz ist eine permanente „Baustelle“ für die Ukraine. So erzählt etwa Alexander, Chef-Ingenieur eines Umspannwerks: „Es ist eine endlose Stresssituation. Ich liebe meinen Job, doch ich fürchte immer, ein Angriff könnte kommen und ich das Ziel sein. Aber ich sage mir einfach, dass wir dagegen halten müssen. Danach wird dann wieder das schöne Leben kommen.“

Etwas anders drückt es der Chef von Ukrenergo, Volodymyr Kudrytskyi aus, wenn er sagt, er und seine Leute kämpften an der Energiefront: „Ich denke, all unsere Mitarbeiter wissen, dass wir eine wichtige Mission haben und dadurch zum Sieg der Ukraine beitragen.“

Aus Sicherheitsgründen tauchen die Ukrenergo-Ingenieure nur mit Vornamen auf.