Um die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen von Covid-19 abzumildern, ist eine maßgeschneiderte Kombination von Arbeitsmarkt- und Sozialschutzmaßnahmen erforderlich, die nach den drei Phasen der Krise gestaffelt ist: Unterstützung, Reorganisation und Stärkung der Resilienz. Angesichts der Einzigartigkeit der Pandemie wird die Reaktionsfähigkeit auch davon abhängen, neue Wege zu gehen. Um Belege für die Wirksamkeit neuer oder modifizierter Programme zu erhalten, können konsequente Überprüfungen und Evaluationen zu einer Verbesserung der sozialen Sicherung und Beschäftigungspolitik beitragen.
Covid-19 hat Wirtschaftssysteme, Unternehmen und Beschäftigte auf der ganzen Welt getroffen. Was als Gesundheitskrise begann, entwickelte sich bald zu einer Pandemie mit schwerwiegenden Auswirkungen auf die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt weltweit. Bis August 2020 gab es in etwa 70 % der Länder Einschränkungen der Mobilität, die sich auf Unternehmen und Existenzen auswirkten.[1] Die Weltwirtschaft wurde sehr hart getroffen, noch wesentlich stärker als bei früheren Krisen (ILO, 2020)[2]. Die Zahl der Arbeitsstunden ging zurück, die Arbeitslosenquote stieg an, Einkommen gingen verloren und Betriebe wurden geschlossen. Die wirtschaftlichen Auswirkungen sind in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen (LMICs) für vulnerable Bevölkerungsgruppen wie informell Beschäftigte, Frauen und Jugendliche sowie für kleine und mittlere Unternehmen (KMUs) besonders schwerwiegend.
Grundsätzlich sollen frühzeitige Unterstützungsmaßnahmen die unmittelbaren Auswirkungen der staatlichen Gesundheitsschutzmaßnahmen für ansonsten wettbewerbsfähige Unternehmen abmildern, indem Liquiditätsengpässe vermieden werden und das Beschäftigungsniveau gehalten wird. Im Folgenden werden einige kurzfristige Politikoptionen skizziert:
Liquiditätsspritzen sollten so gestaltet sein, dass krisengeschädigte Firmen ihre Angestellten weiterhin bezahlen können. Gleichzeitig sollte ihr Zugang zu finanziellen Mitteln durch die Bereitstellung (und Subventionierung) neuer Kreditlinien erleichtert werden. Um informelle Betriebe zu erreichen und Liquidität zu gewährleisten, kann auf Mikrofinanzinstitutionen zurückgegriffen werden. Lohnsubventionen und die vorübergehende Senkung anderer Arbeitskosten wie Sozialversicherungsbeiträge haben sich in der Vergangenheit als hilfreich erwiesen, um den Verlust von Arbeitsplätzen zu vermeiden. Es ist eine Herausforderung, die besonders gefährdeten Unternehmen und Beschäftigten in LMIC-Kontexten zu erreichen, insbesondere in eher ländlichen Gebieten. Digitale Lösungen wie Bezahlsysteme über Mobiltelefone oder digitale Registrierungssysteme können in diesem Zusammenhang helfen.
Arbeitskräfte, die ihren Arbeitsplatz verlieren, benötigen eine Einkommenssicherung, um ihre Existenzgrundlage weiterhin absichern zu können. Zu den gängigsten Instrumenten, um Haushalten in der Krise schnell zu helfen, gehören Sozialhilfeprogramme, allen voran Bargeldtransfers an Haushalte. Bis September 2020 hatten 156 von 188 Ländern ein krisenbezogenes Geldtransferprogramm geplant, durchgeführt oder bereits beendet.[3] Es gibt eine breite Evidenzbasis, die die positiven Auswirkungen von Bargeldtransfers auf die Existenzsicherung belegt: So wird beispielsweise die Armut reduziert und die Gesundheit verbessert. Den Menschen wird die Möglichkeit gegeben, sich aktiv am Arbeitsmarkt zu beteiligen. Die Bewältigung von Wirtschafts- und klimabedingten Krisen wird unterstützt sowie wirtschaftliche Multiplikatoren zur Konsumglättung geschaffen.[4]
Notfallmaßnahmen müssen durch maßgeschneiderte Unterstützung für Beschäftigte und Unternehmen in den mittel- und langfristigen Phasen der Reorganisation und des Aufbaus von Resilienz ersetzt werden. Hier sollte ein Fokus auf Arbeitsplätzen zur Unterstützung eines nachhaltigen Strukturwandels im Einklang mit der Natur liegen. Darüber hinaus sind in LMICs viele Angestellte in Kleinstunternehmen bzw. als Selbstständige zu Hause beschäftigt. Gezielte Fördermaßnahmen für diese Gruppe sind wichtig und bestehende Mikrofinanzierungsnetzwerke könnten eine Möglichkeit bieten, entsprechende Mittel an diese Unternehmen weiterzuleiten.
Aktive Arbeitsmarktprogramme – zum Beispiel Qualifizierungsmaßnahmen – können die Anpassung der politischen Maßnahmen an die sich verändernde Situation der Krise - von der Abmilderung der ersten Auswirkungen bis zur Umstrukturierungsphase - unterstützen. Erkenntnisse aus früheren Arbeitsmarktprogrammen können hier genutzt werden, um neue Programme für eine mittel- und längerfristige Perspektive zu entwickeln. Die Vergabe staatlicher Aufträge spielte zum Beispiel eine wichtige Rolle bei der Erholung von früheren Schocks wie der Finanzkrise von 2008-10.[5] Angesichts der besonderen Situation, die die Covid-19 Pandemie mit sich bringt, sind bei solchen Programmen dennoch spezielle Maßnahmen erforderlich. Die Programme müssen sicherstellen, dass die Teilnehmenden ausreichend körperlichen Abstand halten und entsprechende Schutzausrüstung tragen. Investitionen in Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie in Ausbildung - insbesondere mit dem Fokus auf digitalen Lösungen - können deshalb eine sinnvolle langfristige Investition sein. Investitionen in (Weiter-) Qualifikationen sind während einer Wirtschaftskrise eine weitere wichtige politische Maßnahme, da diese in der Regel einen hohen Mehrwert bringen.[6]
Die Ausweitung der Programme auf vulnerable Bevölkerungsgruppen ist entscheidend für zukünftige soziale Sicherungsprogramme. In LMICs müssen die Reichweite und der Umfang von sozialen Sicherungsmaßnahmen vergrößert werden, um in zukünftigen Krisen für mehr Resilienz zu sorgen. Dies gilt besonders für vulnerable Arbeitskräfte, wie zum Beispiel Geringverdienende, Beschäftigte im informellen Sektor und Geringqualifizierte, sowie für Frauen. Gleichzeitig sollte die neue Generation junger Arbeitssuchender - die sogenannte "Covid-19"-Generation - von der Politik besonders berücksichtigt werden, um langfristige negative Effekte zu vermeiden.[7]
Eine maßgeschneiderte Kombination von Arbeitsmarkt- und Sozialschutzmaßnahmen ist erforderlich, um die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen von Covid-19 abzumildern, gestaffelt nach den drei Phasen der Krise: Unterstützung, Reorganisation und Stärkung der Resilienz. Um Belege für die Wirksamkeit neuer oder modifizierter Programme zu erhalten, können soziale Sicherungs- und Beschäftigungspolitiken konsequent rigoros evaluiert werden.[8]
Dieser Beitrag ist die gekürzte Fassung eines Policy Briefs von Jochen Kluve (KfW), Jörg Langbein (KfW) und Michael Weber (Weltbank), der im Auftrag des BMZ und DEval am 2. Oktober 2020 veröffentlicht wurde.
[1] Quelle: University of Oxford und Blavatnik School of Government (2020). Coronavirus Government Response Tracker. www.bsg.ox.ac.uk/research/research-projects/coronavirus-government-response-tracker (zugegriffen 25. August 2020).
[2] Quelle: ILO (2020), ILO Monitor: "Covid-19 and the world of work", ILO Briefing Note, 6. Aufl., Internationale Arbeitsorganisation, Genf, www.ilo.org/wcmsp5/groups/public/@dgreports/@dcomm/documents/briefingnote/wcms_755910.pdf (zugegriffen 20. September 2020).
[3] Quelle: Gentilini, U., M. Almenfi, P. Dale, A.V. Lopez und U. Zafar (2020). Social Protection and Jobs Response to Covid-19: A real time review of country measures. COVID-19 Living Paper. Version 13. 18. September. World Bank, Washington, DC.
[4] Zum Beispiel: Garcia, S. und J. Hill (2010). The impact of conditional cash transfers and health: unpacking the causal chain. Journal of Development Effectiveness, 2(1): 117–137. oder: Kabeer, N. und H. Waddington (2015). Economic impacts of conditional cash transfer programmes: a systematic review and meta-analysis. Journal of Development Effectiveness, 7(3): 290–303.
[5] Quelle: Azam, M., C. Ferré und M.I. Ajwad (2013). Can public works programs mitigate the impact of crises in Europe? The case of Latvia. IZA Journal of European Labor Studies, 2(1): 10.
[6] Quelle: Card, D., J. Kluve und A. Weber (2018). What works? A meta analysis of recent active labor market program evaluations. Journal of the European Economic Association, 16(3): 894–931.
[7] Vgl.: Gregg, P. und E. Tominey (2005). The wage scar from male youth unemployment. Labour Economics, 12(4): 487–509.
[8] Quelle: Haushofer, J. und C. J. Metcalf (2020). Which interventions work best in a pandemic?. Science, 368(6495): 1063–1065.
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