Veröffentlicht als Evaluation Update Nr. 10 im April 2020
Early response ist die Devise zur Eindämmung von Epidemien und Krisen. Das zeigen Analysen von Ebola-Projekten: "The costs of late responses are hard to quantify, but studies have suggested that half the caseload could have been avoided—equivalent to thousands of lives saved—if the Ebola response had arrived one month earlier".[1]
Die FZ Evaluierungserfahrung lehrt, auch „early response“ gelingt nicht immer, Maßnahmen kommen zu spät oder die Krise entwickelt sich unerwartet, so dass umstrukturiert werden muss [2], auch die ADB verweist auf das Problem mit: „design rapidly but mindful of quality at entry“.[3] Schon bei früher absehbaren Krisen (z. B. Nahrungsmittelkrise am Horn von Afrika), zeigte sich, dass die internationale Antwort langsam war und damit einhergehend ineffizient und teuer wurde (14. Evaluierungsbericht).
Bei der Entwicklung zusätzlicher FZ-Ansätze sollten daher Vorlaufzeiten (auch bei Eilverfahren; nationale Vorschriften beachten) und das bei Implementierung zu erwartende Stadium der Pandemie berücksichtigt werden. Wo schnelle Lösungen gefordert sind, ist das effektive Zusammenspiel von humanitärer Hilfe und EZ wichtig und die Zusammenarbeit mit etablierten (UN-)Institutionen zu überlegen.
Flexible und harmonisierte Finanzierungen sind sinnvoll, wenn die Umstände dynamisch und unvorhersehbar sind. Policy based financing kann dies als Budgetfinanzierung leisten. Die bereits vorliegenden Evaluierungen betonen, dass ein hoher Grad an Alignment nötig ist und Geber möglichst gemeinsam agieren. Die möglichst zweckungebundene Kofinanzierung multilateraler Organisationen ist alternativ ein effektives und effizientes Instrument, um in dynamischen Interventionskontexten bedarfsgerechte Maßnahmen sicherzustellen. So wirkte sich bei Nahrungsmittelnothilfen eine Zweckbindung für bestimmte Komponenten, Regionen oder Zielgruppen negativ auf die Bewertung von Relevanz und Allokationseffizienz aus (WFP-Kooperation Nahrungsmittelnothilfe). Im Jemen konnte bei Eskalation des Bürgerkrieges 2015 durch zweckungebundene FZ-Mittel an den WFP eine kurzfristige allgemeine Nahrungsmittelverteilung ermöglicht werden - an alle Jemeniten ohne Exklusionscharakter (vorläufiges Evaluierungsergebnis).
Als Reaktion auf die Ebola Krise strömten diverse Akteure in die betroffenen Länder, mit Überforderung von nationalen Ministerien, wie sich beispielsweise in Liberia zeigte. Die FZ Evaluierungen bestätigen im Allgemeinen positive Effekte von Kofinanzierungen. Ein eindringlicher Appell für globale Zusammenarbeit als Reaktion auf COVID-19 kommt auch vom DIE.[4]
Ownership ist zentral für Erfolg und Nachhaltigkeit; unklar bleibt aber oft die Frage, wer das Risiko trägt. In der Reaktion auf die Ebola Krise zeigte sich bei überforderten nationalen Regierungen Unklarheit darüber, wer die Verantwortung übernimmt: nationale Regierungen, WHO oder Geber?[5] Breite institutionelle Unterstützung ist wünschenswert, um bei nationalen Akteuren ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass es sich bei Pandemiebekämpfungsmaßnahmen um einen Beitrag zu einem globalen öffentlichen Gut handelt[6].
Das Targeting wird oft durch schwache Datenlagen und die nachrangige Priorisierung von Monitoring erschwert. Bevölkerungsdichte erhöht die Infektionsgefahr, aber auch Migration stellt die Bekämpfung von Infektionskrankheiten vor Herausforderungen – Migranten sollten bei der Konzeptionierung explizit mit berücksichtigt werden. Das Monitoring der Maßnahmen im Projektverlauf ist wichtig, um Anpassungen vornehmen und Best Practices ableiten zu können. Das Targeting kann mit der Auswertung digitaler Daten gestützt werden.
Community-based approaches werden von einer Vielzahl von Evaluierungsstudien als erfolgsrelevant bewertet. Die enge Zusammenarbeit mit lokalen Akteuren und der (lokalen) Politik hilft, die Dringlichkeit für sofortige Unterstützung zu erkennen und dementsprechend zu handeln[7]. Angemessene Kommunikation, angepasst an den jeweiligen lokalen und kulturellen Kontext bzw. die Einbindung lokaler Führungspersönlichkeiten (seien es religiöse Führer, Führungspersonen in Clanstrukturen bzw. lokale Autoritäten) sind wichtig für den Projekterfolg. Die Einbeziehung lokaler Strukturen in der Bekämpfung der Ebola-Krise wird z. B. von der ADB als eine entscheidende lesson learnt thematisiert[8].
Do no harm ist ein wichtiges Leitmotiv in der Planung von Maßnahmen in Konflikt- und Katastrophensituationen. Die Basis bieten Vulnerabilitätsanalysen, die nicht nur die Gesundheitsversorgung sondern auch die wirtschaftliche Situation und bestehende Konfliktlinien berücksichtigen, insbesondere auch - im Sinne eines leaving no one behind - Bedürfnisse vulnerabler Gruppen (z. B. Binnenvertriebene - IDPs)).
FZ-Umsetzungspartner wie UN/INGOs könnten erhöhten Risiken ausgesetzt sein u.a. durch verstärkte Zugangsbeschränkungen, aber auch in dem sie Ziel von Anfeindungen, Propaganda bis zu Übergriffen werden – auch hier kann auf Ebola-Erfahrungen aufgebaut werden. Humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit sollten vermeiden, zur Stärkung der Position ausgewählter Konfliktparteien bzw. zu Veränderungen im Machtgefüge zu führen. Zur konfliktsensiblen Reaktion auf Naturkatastrophen gibt es Ergebnisse aus Evaluierungen von Tsunami-Projekten aus Südostasien.
Erfolgsversprechende Ansatzpunkte sind (i) die Einbindung lokaler Autoritäten, (ii) transparente, gerechte und vertrauenschaffende Allokationsstrukturen, (iii) abgestimmte und gemeinsame Informationskampagnen und (iv) flankierende Maßnahmen zur Stärkung der Transparenz und Rechenschaftspflicht.
In Krisensituationen zu erwartende Kostensteigerungen sollten frühzeitig antizipiert werden, um effiziente und bedarfsgerechte Leistungen zur Krisenbewältigung anbieten zu können und Kalkulationen anzupassen.
Da nationale sowie globale Infrastruktur oft nur noch eingeschränkt funktioniert, resultieren Lieferkettenengpässe mit erhöhten Preisen für Lebensmittel sowie Konsumgüter und gesteigertem Leidensdruck der Krisenbetroffenen. So erhöhten sich beispielsweise 2015 die Programmimplementierungskosten des WFP für Nahrungsmittelhilfe im Jemen erheblich im Vergleich zu vorangegangen Projekten aufgrund der Eskalation des Bürgerkrieges. Maßgeblich waren hierfür die gestiegen Kosten von Treibstoff und Lebensmittel verantwortlich. Spekulationen trieben nicht nur in der Ernährungskrise 2008 die Preise in die Höhe.
Im Gesundheitsbereich ist Prävention ein etablierter Ansatz: (i) durch Aufklärung und durch (ii) Impfkampagnen. Aktuell ist nur Aufklärung und symptomatische Behandlung möglich, mittelfristig wird hoffentlich ein Impfstoff verfügbar sein.
Bei der Prävention durch Aufklärung zu Übertragungswegen, Schutzmöglichkeiten und Risiken bieten die Erfahrungen aus dem Bereich HIV und Familienplanung wertvolle Erkenntnisse: Social Marketing Agenturen arbeiten kontextbasiert, können auf das Vertrauen der Bevölkerung bauen und ergänzen staatliche Strukturen. Gemeindebasierte Ansätze haben sich zur Förderung von Hygienesensibilisierungsaktivitäten (vgl. WASH[9]) bewährt[10]. Auf bestehende Strukturen kann schnell aufgebaut werden. Aufklärung und Hygiene bleiben auch bei verfügbaren Tests und Behandlungsmöglichkeiten essentiell, da diese (meist) nicht durchgehend für alle zugänglich sind. Trotz Behandlung darf die Prävention nicht vernachlässigt werden, wie es im Bereich HIV/Aids leider zu beobachten ist. Beim Aufbau von Testkapazitäten in Tuberkuloseprogrammen in Zentralasien hat sich die Sicherheit des medizinischen Personals und der Labore sowie die Logistik des Probentransports als wichtig erwiesen.
Die Bereitstellung zusätzlicher Behandlungsbetten trägt neben Behandlung und Pflege infizierter Patienten auch zur Vermeidung weiterer Übertragungen bei, wie eine Studie zu Ebola in Sierra Leone gezeigt hat[11].
Sobald sich die Zulassung eines Impfstoffes abzeichnet, wird neben der Prävention auf Impfprogrammen ein Schwerpunkt liegen. Erfolgsentscheidend haben sich bei den FZ-Poliovorhaben im Rahmen der Global Polio Eradication Initiative in Indien und Nigeria Vertrauen, Überwachung und ggf. Anpassung, Einbindung aller wesentlichen Akteure und die Kontextualisierung herausgestellt.
Die vertikal und initial stark von der internationalen Gemeinschaft getriebenen Programme hatten wenig Spill-over Effekte auf das nationale Gesundheitssystem und es bleibt bei groß angelegten Immunisierungskampagnen darauf zu achten, dass allgemeine Impf- und Gesundheitsprogramme nicht negativ beeinflusst werden, wie durch Mangel an Impfpersonal in Indien.
Solche Verdrängungseffekte ergaben sich auch in Westafrika, als die Bekämpfung von Malaria unter der Priorisierung von Ebola litt[12]. Im Bereich der Routine-Immunisierung hat sich z. B. die bilaterale Beistellung zur multilateralen Organisation GAVI Alliance in Kooperation mit UNICEF in Tansania als effektiv und effizient herausgestellt.
Unabhängig vom jeweiligen Stadium der Pandemiebekämpfung spielt die Aufrechterhaltung der Basisversorgung mit Elektrizität und Wasser sowie die Abwasserentsorgung eine wichtige Rolle. Die zur Pandemiebekämpfung erforderlichen Strukturen sind zur Erfüllung ihrer Aufgaben auf diese Basisversorgung angewiesen. Zudem können Unterbrechungen der Versorgung im Wasser- und Abwasserbereich zu weiteren Gesundheitsproblemen bei der Bevölkerung (bis hin zu weiteren Epidemien wie Cholera oder Ruhr) führen und damit ein bereits angespanntes Gesundheitssystem weiter belasten. Darüber hinaus lassen verstärkte Hygienemaßnahmen potentiell den Wasserbedarf steigen. Zur Behebung krisentypischer Versorgungsengpässe (z. B. bei Treibstoff und Ersatzteilen) hat sich eine dezentrale Vorgehensweise - d. h. die Bedarfserfassung auf Ebene der lokalen Versorgungseinrichtungen - bewährt, um möglichst schnelle und zielgerichtete Hilfe leisten zu können (z. B. EPE 2019 Krisensofortprogramm Jemen).
Auch soziale Sicherungsmaßnahmen können ein Ansatzpunkt der FZ sein, um die Auswirkungen der Krise zu mindern. Hier können wir FZ Evaluierungserfahrungen mit verschiedenen Transfermechanismen aus der Ernährungssicherung einbringen. Barmittel und Gutscheine zum Kauf von Nahrungsmitteln (anstatt Nahrungsmittelverteilung) bieten der Zielgruppe größere Wahlfreiheit, was sich positiv auf die Diversität der Nahrungsaufnahme auswirkt und die Selbstwirksamkeit bei der Kaufentscheidung stärkt (Beispiel Jemen Basisernährung I + II und UN-Finanzierungen in Nahost). Auch die Kosteneffizienz wird im Vergleich zur logistisch aufwändigen Nahrungsmittelbereitstellung gesteigert. Neben diesen kurzfristigen Lösungen bieten strukturelle Maßnahmen wie Cash-for-Work, Cash-for-Assets oder Food-for-Training nachhaltigere Ansätze. Diese Tauschangebote sollen die Zielgruppe aus eigener Kraft dazu befähigen, ihren Nahrungsmittelbedarf sicherzustellen.
Mikroversicherungssysteme können die finanziellen Lasten der Einzelnen im Krankheitsfall reduzieren. Dabei ist immer das Thema Kostendeckung und Nachhaltigkeit der unterstützten Systeme wichtig (z. B. Thematische Evaluierung Gesundheitsfinanzierung Pakistan).
Die Auswirkungen der Corona-Krise sind sowohl in Deutschland als auch in den Entwicklungsländern multisektoral und erfordern daher Anstrengungen in allen entwicklungsrelevanten Sektoren, um die Resilienz der Partnerländer auch für zukünftige Schocks zu erhöhen.
[1] Clarke/Dercon (2016): Dull Disasters? How planning ahead will make a difference. Oxford University Press, S. 32.
[2] Vorläufiges Ergebnis einer aktuell laufenden Evaluierung zu einem Ebola Projekt in Liberia.
[3] ADB (2020): Responding to the novel Coronavirus crisis: 13 Lessons from Evaluation, S. 3.
[4] DIE (2020): Lessons for Global Cooperation from the COVID-19 Pandemic.
[5] Clarke/Dercon (2016): S. 17/18.
[6] ADB (2020): Responding to the novel Coronavirus crisis: 13 Lessons from Evaluation.
[7] GIZ (2017): Lessons for the Future: What East African experts learned from fighting the Ebola epidemic in West Africa - A regional conference with international participation held in Nairobi, Kenya from 6th to 8th November 2017.
[8] ADB (2020).
[9] Yates et al. (2017): WASH interventions in disease outbreak response . Humanitarian Evidence Programme. Oxford: Oxfam GB.
[10] 3ie (2017): Promoting Handwashing and Sanitation behavior change in low- and middle-income countries: A mixed method systematic review.
[11] Kucharski et al. (2015): Measuring the impact of Ebola control measures in Sierra Leone. Proceedings of the National Academy of Sciences, 112(46), S. 14366-14371 / ACAPS (2015): Briefing paper: Ebola in West Africa— impact on health systems, 26 February 2015.
[12] Walker, P. G., M. T. White, J. T. Griffin, et al. (2015): “Malaria morbidity and mortality in Ebola- affected countries caused by decreased health-care capacity and the potential effect of mitigation strategies: A modelling analysis.” Lancet Infectious Diseases 15(7): 825– 32.