Meldung vom 28.02.2019 / KfW Entwicklungsbank

Wasser und Krise im Nahen Osten

Podiumsdiskussion
Auf dem Podium von l.n.r.: Iyad Dahiyat, Lamis Al-Iriyani, Dr. Mohammad Kayyal und Stefan Zeeb.

Eine Veranstaltung zum Thema „Wasser und Krise im Nahen Osten“ am 20. Februar brachte in der Berliner Niederlassung der KfW etwa 50 Gäste aus Politik, Wissenschaft, Zivilgesellschaft und EZ-Praxis miteinander ins Gespräch.

Die KfW Entwicklungsbank ist im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) seit Jahrzenten weltweit im Wassersektor tätig. Die Region Nahost steht dabei in besonderer Weise für die komplexen Zusammenhänge zwischen dem Wassersektor und unterschiedlichen Krisen / Herausforderungen: Wasserarmut, Klimawandel, Verstädterung, Bevölkerungswachstum und der Zustrom an Flüchtlingen, wie aktuell aus Syrien und dem Irak. Das alles führt in vielen Kommunen zu Versorgungsengpässen und führt sie an die Grenze des Leistbaren. Gleichzeitig kann eine funktionierende Wasserversorgung auch in der Region Nahost einen Beitrag zu Stabilisierung, Gesundheit, Beschäftigung und Wirtschaftsförderung leisten.

FZ-Bereichsleiter Helmut Gauges zeigte in seiner Eröffnungsrede den Spannungsbogen der anschließenden Diskussion auf und verwies darauf, dass das Konfliktpotential, das im Wasser steckt, noch weiter steigen werde. Umso wichtiger sei es, jetzt gegenzusteuern. Weiter ging er auf den deutschen Beitrag ein: „Eine gerechte Verteilung der Wasserressourcen ist unentbehrlich für Frieden in der Region. Eine gut funktionierende Infrastruktur bildet eine wichtige Grundlage für Stabilität und Entwicklung. Deutschland zählt in den meisten Ländern dieser Region zu den größten Gebern im Wassersektor.

Die unterschiedlichen Aspekte der Rolle des Wassers im Entwicklungsprozess hat das BMZ in seiner „Querbezugsstrategie Wasser, Flucht, Migration“ aufgegriffen, die die Grundsätze der deutschen EZ in diesem Kontext formuliert. Klaus Krämer, im BMZ für den Nahen Osten als Referatsleiter zuständig, erläuterte das Ziel des BMZ-Engagements: „…durch Verbesserung von Lebensbedingungen und Resilienz werden Migrationsdruck und Fluchtursachen gemindert.“ Wichtig für Länder wie Jordanien oder Libanon, die besonders viele Geflüchtete aufgenommen haben: „Dabei erfolgt eine gemeinschaftliche Betrachtung von Migranten, Flüchtlingen und lokaler Bevölkerung.“

Der Beitrag von Professor Dr. Alexander de Juan von der Universität Osnabrück ergänzte aus wissenschaftlicher Sicht. Es gibt zahlreiche Konflikte in der Region, die in Wasserknappheit ihre Ursache haben. Allerdings gibt es trotz langjähriger Forschung keine evidenzbasierte Herleitung, dass Wasserarmut eine der Fluchtursachen ist. Vielmehr müssen mehrere Faktoren gleichzeitig auftreten, damit die Menschen tatsächlich ihre Heimat verlassen: u.a. schwache Governance-Strukturen gepaart mit erheblichen Einschnitten in sozialen und wirtschaftlichen Bereichen, demographischem sowie klimatischem Wandel.

Im Zentrum des Abends stand eine moderierte Paneldiskussion, in der Vertreter aus Jordanien, dem Jemen und Syrien persönlich und anschaulich Einblick in die Situation in ihren Ländern gaben. Staatssekretär Iyad Dahiyat von der jordanischen Water Authority of Jordan (WAJ) schilderte die Situation im Wüstenstaat, der seit Jahrzehnten Flüchtlinge aus der Region aufnimmt. Damit Jordanien weiterhin ein Stabilitätsanker in der Region bleiben könne, sei eine funktionierende Wasserversorgung und ein kontinuierliches Engagement der Geber erforderlich. Wenn er einen Wunsch bei einer guten Fee frei hätte, wurde er von Moderator Stefan Zeeb (Abteilungsleiter Nahost) gefragt. Dahiyat musste nicht lange überlegen: Unterstützung bei der Gewinnung von Wasser aus unkonventionellen Quellen, zum Beispiel dem Bau von – sehr teuren – Entsalzungsanlagen.

Die deutsche EZ ist auch in zurzeit schwer zugänglichen Ländern im Wassersektor aktiv. Lamis Al-Iryani, im jemenitischen – regierungsunabhängigen – Social Fund for Development (SFD) Leiterin der Evaluierungseinheit, hatte einen kürzlich in zwei Provinzen gedrehten sehr eindrücklichen Film dabei. Im Dorf Alamour in der Provinz Taiz sind mit KfW-Mitteln 240 Zisternen zur Sammlung von Regenwasser gebaut worden. Das schuf Jobs für fast 1.200 Arbeiter, vor allem aber erleichtert es das Leben von Frauen und Mädchen. Sie waren zuvor viele Stunden täglich in unwegsamem Gelände mit Wasserholen beschäftigt – für’s Kochen und Waschen, aber auch zur Versorgung der Tiere. Jetzt haben Mädchen Zeit für die Schule, Frauen können sich ihren Kindern und der Landwirtschaft widmen. In der südlichen Provinz Abyan wurde die Infrastruktur zur Wasserver- und Abwasserentsorgung durch die kriegerischen Auseinandersetzungen fast komplett zerstört. Mithilfe des SFD konnten Leitungen, Pumpen, Verwaltungsgebäude und Wasserspeicher neu gebaut oder rehabilitiert werden – die Bevölkerung kann nun mit bezahlbarem Wasser beliefert werden. Eine solche Versorgungssicherheit motiviert Binnenflüchtlinge, wieder in ihre Heimatgemeinden zurückzukehren. Und ein Job bedeutet mehr als ein Einkommen für die nächsten Wochen: er ist Hoffnung für die Zukunft.

Auch für Dr. Mohammad Kayyal, seit vergangenem Jahr Programme Management Officer im UN Environment Programme (UNEP) in Athen und aus Syrien stammend, ist die Versorgungssicherheit zentral. Wasserprojekte tragen zur Stabilisierung bei, wenn für Menschen die Zukunft wieder planbar wird, die Versorgung sicher ist, sie auch für ihre Kinder eine Perspektive sehen. 5 Millionen Syrer leben außerhalb ihres Landes, sie werden erst dann zurückkehren, wenn Frieden und Sicherheit gewährleistet sind und Strom und Wasser verlässlich zur Verfügung stehen. Kayyal, der in den vergangenen Jahren als Consultant in KfW-UNICEF-Projekten beschäftigt war, auf die Frage nach einem freien Wunsch: „Ich wünsche mir, dass „Wasser“ nicht mehr als politisches Instrument missbraucht wird. Das ist in meinen Augen ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit – jeder Mensch hat ein Recht auf Wasser und Sanitärversorgung.“