Von April bis Oktober herrscht in Kambodscha Regenzeit mit langen und heftigen Niederschlägen, hervorgerufen durch den feuchten Südwestmonsun. 70 bis 80 % der jährlichen Niederschlagsmenge fallen in diesem Zeitraum, Regenmengen bis zu 5.000 mm sind keine Seltenheit. Aufgrund der schlechten Infrastruktur in ländlichen Gebieten kann ein heftiger Schauer Straßen für mehrere Tage unpassierbar machen und Entwässerungsgräben sowie Brücken zerstören. Dörfer werden von der Außenwelt abgeschnitten, die Menschen erreichen Schulen, Märkte und Krankenhäuser nicht mehr.
Der Klimawandel mit einer verlängerten Trockenzeit und einer Monsunzeit mit immer größeren Niederschlagsmengen verstärkt diese Situation noch, immer wieder kommt es zu Taifunen, Überschwemmungen, Erdrutschen und Dürren. Aber auch der zunehmende Verkehr – bei wachsendem Wohlstand - macht den Straßen zu schaffen, vor allem überladene Lastkraftwagen.
Im ländlichen Kambodscha stellte – und stellt – das schlechte Wegenetz ein entscheidendes Entwicklungshemmnis dar. Seit vielen Jahren fördert darum die KfW Entwicklungsbank im Auftrag des BMZ ländliche Infrastrukturprogramme: mit dem Ausbau ländlicher Straßen, Brücken und ergänzender Kleininfrastruktur in 15 Provinzen. Gemeinsam mit dem kambodschanischen Ministry of Rural Development (Ministerium für ländliche Entwicklung, MRD) wurden Straßen finanziert, Brücken, regionale Marktplätze und andere Kleininfrastruktur gebaut. Auch bei extremen Überflutungen sind dank neu gebauter Dämme, Drainagen und Erosionsschutz die Straßen auch in der Regenzeit nutzbar. Tausende Kambodschanerinnen und Kambodschaner erhielten so einen schnelleren und ganzjährigen Zugang zu Handelsplätzen und sozialen wie medizinischen Einrichtungen. Dank der verbesserten Infrastruktur können ländliche Haushalte nun ihre landwirtschaftlichen Erzeugnisse besser verkaufen, andere einkaufen, Jobs annehmen, Bildungschancen nutzen und sich am öffentlichen Leben beteiligen. Die Einkommen der Haushalte in den Einzugsgebieten der Straßen und Märkte stiegen deutlich an.
Lokale Baufirmen wurden beauftragt, Straßen zu asphaltieren, Entwässerungsgräben anzulegen und Durchlässe zu bauen. Auch kleinere Infrastrukturmaßnahmen in den an die Straßen grenzenden Dörfern und Gemeinden wurden umgesetzt. Die Dorfgemeinschaften waren an der Auswahl von ergänzender Infrastruktur beteiligt, sie entschieden sich oft für den Bau kleinerer Zugangsstraßen, Gemeinschaftsräumen oder auch Reistrocknungsplatten. Etabliert wurden auch Verkehrssicherheitsprogramme für Fahrer und Fußgänger – denn die Fahrgeschwindigkeiten steigen mit den besseren Straßen an. Außerdem wurden die Mitarbeiter des lokalen Trägers im Bereich des Instandhaltungsmanagements geschult.
Im Jahr 2020 wurde das neue „Rural Infrastructure Development Programme for Cambodia“ (RID4CAM) zugesagt, das auf den vorherigen Phasen aufbaut und durch verschiedene Finanzierungsbeiträge zu einem umfassenden und integrierten Gesamtprogramm gestaltet wurde. RID4CAM wird in Ko-finanzierung mit der Agence Française de Développement (AFD) umgesetzt und beinhaltet neben dem AFD-Darlehen zwei weitere Phasen des ländlichen Infrastrukturprogramms, ein zinsverbilligtes KfW-Darlehen (Phase VIII) und einen BMZ-Zuschuss (Phase VII). Weiterhin erhält die KfW für die Umsetzung von RID4CAM einen EU-AIF-Zuschuss. Die Projektumsetzung hat im Jahr 2021 begonnen.
Auch dieses Vorhaben kombiniert die klimaresiliente Rehabilitierung ländlicher Wege und Straßen für einen ganzjährigen Zugang zu Arbeits- und Absatzmärkten sowie Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen mit der Behebung von Defiziten in verschiedenen komplementären Bereichen wie landwirtschaftlicher Produktivität und Wasserversorgungsinfrastruktur. Ergänzende Trainingsmaßnahmen zur Kapazitätsentwicklung des Projektträgers, der lokalen Projektimplementierungseinheiten und der begünstigten Zielgruppe insbesondere zu Instandhaltung und Betrieb der Infrastruktur sollen zur Nachhaltigkeit des Projektes beitragen. RID4CAM verfolgt dabei einen Netzwerkansatz, d. h. die Schaffung einer hohen Konnektivität, die die harmonisierte Entwicklung einer größeren Region ermöglicht. Dies bedeutet, dass im Rahmen von RID4CAM nicht nur Hauptstraßen gebaut werden, sondern auch kleinere Verbindungsstraßen, die in die Hauptstraßen münden und damit die Anbindung landwirtschaftlicher Betriebe an Märkte erleichtert und die Entwicklung lokaler Unternehmen fördert. Ebenfalls wurde RID4CAM eng mit dem von der AFD finanzierten Bewässerungsvorhaben „Water Resources Management and Agro-Ecological Transition for Cambodia“ (WAT4CAM) verzahnt. Das Zusammenwirken von WAT4CAM und RID4CAM verfolgt einen integrierten Ansatz zur Entwicklung der ökonomischen Infrastruktur im ländlichen Raum, bei dem sich die positiven Effekte einer verbesserten Bewässerungsinfrastruktur und ganzjährig befahrbaren Wegen und Straßen ergänzen und gegenseitig verstärken. Die im Rahmen von RID4CAM finanzierten Wege in der Umgebung von WAT4CAM-Bewässerungssystemen ermöglichen den ländlichen Produzenten einen ganzjährigen zeit- und kostengünstigen Zugang zu Produktionsmitteln und Absatzmärkten.
Ein paar Zahlen zu den Wirkungen eines Vorgängervorhabens das von 2014 - 2018 umgesetzt wurde: 15 Straßenabschnitte mit einer Gesamtlänge von 86,5 km wurden rehabilitiert, ergänzend wurden vier Schulen um 14 Klassenräume und sanitäre Einrichtungen erweitert und in 15 Dörfern Maßnahmen zur Wasserversorgung (insb. Brunnen) umgesetzt. Das bei der Prüfung formulierte Ziel des Programms - die arme ländliche Bevölkerung, insbesondere Frauen, steigert ihr Einkommen und nimmt aktiv an der lokalen nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung teil - wurde erreicht. Das Verkehrsaufkommen - Kfz, Motorräder und Fußgänger - auf den rehabilitierten Straßen hat sich vervielfacht, und zwar das ganze Jahr über, nicht nur in der Trockenzeit. Mehr als 3.000 Haushalte in den Dörfern profitieren direkt.
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