Interview mit Steffen Beitz
„Mosambik hat schwierige Rahmenbedingungen, aber Potenzial“Ein Gespräch mit dem KfW-Büroleiter in Mosambik. Steffen Beitz spricht im Interview mit Friederike Bauer über die Lage in dem südafrikanischen Land und wo die Haupthindernisse für schnellere Fortschritte liegen.
Veröffentlicht im Februar 2024, aktualisiert im Februar 2025
Die große Freundlichkeit und Höflichkeit der Menschen habe ich so noch in keinem Land erlebt. Das geht über alle Generationen und Bildungsschichten hinweg und gilt selbst in einer Millionenstadt wie Maputo, wo sich die Leute auf der Straße wahrnehmen, wie bei uns nur auf dem Dorf. Ich wohne einen Kilometer vom KfW-Büro entfernt und lege die Strecke zu Fuß zurück. Auf dem Weg dorthin grüßen mich fast alle Menschen, denen ich begegne. Davon könnten wir uns eine Scheibe abschneiden.
Mosambik hat eine sehr lange Küste von mehr als 2.000 Kilometern, über die Menschen aus Europa, Asien und dem arabischen Raum ins Land kamen. Es gibt viele muslimisch-christliche Ehen. Hier leben die Menschen selbstverständlich nebeneinander und miteinander. Auch das könnten sich andere Länder von Mosambik abschauen.
Mosambik hat großes Potenzial: es hat reiche Bodenschätze und viele talentierte junge Menschen. Aber es gibt extreme soziale Unterschiede. Maputo bietet einen sehr hohen Lebensstandard. Hier merkt man an vielen Stellen nicht, dass man sich in einem der ärmsten Länder der Welt befindet. Die Armut wird so richtig greifbar, wenn man das Land bereist. Rund 40 % der Menschen in Mosambik sind Analphabeten und haben keinen Strom; rund 70 % müssen von weniger als 2,15 US-Dollar pro Tag leben. Es gibt eine kleine reiche Oberschicht und eine kleine städtische Mittelschicht. Ihnen steht die restliche, vor allem ländliche Bevölkerung gegenüber, die von der Hand in den Mund lebt. Das gilt besonders für Frauen. Dazu kommen Dschihadisten, die das Land besonders im Norden terrorisieren, und Zyklone, die regelmäßig große Schäden anrichten.
Das ist richtig. Nach der Wahl kam es überall in Mosambik zu Protesten, weil die Opposition die Rechtmäßigkeit der Wahl nicht anerkannte. Diese Protestbewegung hat sich auch gegen die soziale Ungerechtigkeit im Land gerichtet. Mosambik hat insgesamt schwierige Rahmenbedingungen, auch aus historischen Gründen.
Die portugiesischen Kolonien wurden erst spät in die Unabhängigkeit entlassen, Mosambik 1975. Damals gab es zum Beispiel keinen einzigen Lehrer mehr im Land, denn die Portugiesen hatten keine Einheimischen ausgebildet. Das bedeutet, Mosambik musste – nicht nur im Bildungssektor – bei null anfangen. Nur zwei Jahre später, 1977, begann ein Bürgerkrieg, ein Stellvertreterkrieg im Konflikt zwischen Ost und West, der 15 Jahre dauerte. Danach war das ganze Land traumatisiert, der Boden übersät mit Landminen, die bis heute noch geräumt werden müssen. Es folgte eine Phase der Stabilität und der Entwicklung, auch der Demokratisierung. Doch im Jahr 2016 wurde Mosambik von einem Korruptionsskandal erschüttert: Die Regierung hatte Kredite von Staatsunternehmen in Milliardenhöhe auf verfassungswidrige Weise abgesichert. Ein Großteil der Gelder verschwand über ein groß angelegtes Bestechungs- und Schmiergeldsystem. Das löste im In- und Ausland eine Vertrauenskrise aus, von der sich Mosambik immer noch nicht komplett erholt hat. Danach kam COVID-19, jedes Jahr verheerende Zyklone und jetzt die politische Krise, die noch nicht ausgestanden ist.
Genau. All das hat der Wirtschaft schwer zugesetzt. Optimistische Prognosen für die kommenden Jahre setzen alle ein Ankurbeln des Gasgeschäfts voraus. Mosambik hat enorme Gasvorkommen, die es künftig, auch als Flüssiggas, exportieren kann. Allerdings liegen die großen Gasvorkommen genau dort, wo die militanten Dschihadisten ihr Unwesen treiben, was das angestrebte Gasgeschäft verzögert.
Ja, doch es kommt für die Entwicklung des Landes entscheidend darauf an, wie die Einnahmen aus dem Gasgeschäft eingesetzt werden. Mit u.a. norwegischer Unterstützung wurde ein Staatsfonds eingerichtet, der hoffentlich zu Investitionen führt, die einen Nutzen für alle Mosambikaner darstellen. Die Regierung beabsichtigt insgesamt, das Geschäft mit Energieexporten auszubauen. Dazu gehören neben Gas die erneuerbaren Energien, vor allem Wasserkraft, die derzeit einen Anteil von 80 % am Energiemix ausmacht. Schon heute exportiert Mosambik Strom in Nachbarländer. Hier will man zu einem „regional hub“, zu einem regionalen Energiezentrum werden. Denn die Nachfrage aus Ländern wie Simbabwe, Sambia, Malawi und vor allem Südafrika nach Strom sind groß.
Investitionen aus dem In- und Ausland sind dringend nötig, aber dafür muss das Land erst wieder richtig zur Ruhe kommen. Das umfasst den Bereich Energie genauso wie die Landwirtschaft, die ebenfalls ein enormes Potenzial hat, aber noch stark als Subsistenzwirtschaft betrieben wird. Mosambik ist ein sehr junges Land; jedes Jahr drängen 500.000 junge Menschen auf den Arbeitsmarkt. Sie brauchen eine gute Schul- und Berufsausbildung und dann Beschäftigung. Den Bildungssektor weiter auszubauen, ist deshalb eine zentrale Voraussetzung für weitere Fortschritte. Derzeit fehlen aber zum Beispiel 10.000 Lehrerinnen und Lehrer.
Hauptziel der deutschen Finanziellen Zusammenarbeit ist der Kampf gegen die Armut. Das geschieht über Projekte in Grund- und Berufsbildung, im Energiesektor sowie bei der Förderung kommunaler Infrastruktur und günstiger Kredite für kleine Agrarunternehmen. Bei Energie ist Deutschland der drittgrößte Geber und trägt maßgeblich dazu bei, dass Mosambik die Produktion von erneuerbaren Energien, vor allem Solaranlagen und Wasserkraftwerke, weiter ausbaut bzw. bestehende Strominfrastruktur modernisiert. Das ist auch ein Beitrag zum Klimaschutz. All das hat dazu geführt, dass in wenigen Jahren mehrere Millionen Haushalte zusätzlich Strom erhalten haben. Noch 2014 hatten nur 16 % der Bevölkerung Strom, heute sind es mehr als 60 %. Innerhalb von zehn Jahren wurde ein Riesensprung nach vorn geschafft, an dem auch Deutschland seinen Anteil hat.
Der bürokratische Aufwand ist beträchtlich, die Umsetzungsgeschwindigkeit noch nicht hoch genug. Dazu kommen die insgesamt schwierigen Rahmenbedingungen, von denen ich bereits sprach, die natürlich auch unsere Arbeit beeinflussen.
Ich bin tatsächlich hoffnungsvoll, weil ich sehe, wieviel Toleranz, Ausdauer, Kraft und Talent in diesem Land stecken. Aber es bleibt auch noch Vieles zu tun: Derzeit ist Mosambik ein Land mit großem Potenzial, das es erst noch richtig ausschöpfen muss.
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