Interview mit Michele Diekmann

„Als KfW Entwicklungsbank können wir von Inklusion nur profitieren“

Im Interview mit Friederike Bauer erklärt KfW-Abteilungsleiterin Michele Diekmann, warum Inklusion für Entwicklung wichtig ist und welchen Stellenwert das Thema in der Entwicklungsbank selbst hat.

Veröffentlicht im März 2025

Michele Diekmann, Abteilungsleiterin in der KfW Entwicklungsbank.
Michele Diekmann, Abteilungsleiterin in der KfW Entwicklungsbank.

Demnächst findet der Global Disability Summit statt. Was erwarten Sie sich von dem Treffen?

Der Gipfel findet in Berlin statt und wird von Deutschland zusammen mit Jordanien und der International Disability Alliance organisiert. Diese hochrangig besetzte Veranstaltung ist eine gute Gelegenheit, um ein Schlaglicht auf das Thema Inklusion zu werfen, ihm politische Aufmerksamkeit zu geben und seine Relevanz auch für die deutsche Entwicklungszusammenarbeit zu unterstreichen. Es werden VertreterInnen des Globalen Nordens, des Globalen Südens sowie ein breites Spektrum zivilgesellschaftlicher Organisationen vertreten sein, die das Thema gemeinsam voranbringen möchten.

Warum ist das Thema Inklusion wichtig, auch gerade für die Entwicklungszusammenarbeit?

Inklusion ist aus meiner Sicht als Querschnittsthema zu betrachten und sehr relevant für die Erreichung einer Vielzahl der SDGs, da es die Überwindung von Barrieren adressiert und dabei hilft, mehr Menschen am politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben teilhaben zu lassen. Die SDGs haben das Motto „Leave no one behind“, es darf niemand zurückgelassen werden. Das gilt natürlich auch für Menschen mit Beeinträchtigungen, von denen es weltweit geschätzte 1,3 Milliarden gib – rund 16 Prozent der Weltbevölkerung. Sie außer Acht zu lassen, hieße, die SDGs nicht ernst zu nehmen. Umgekehrt kann ihre Teilhabe einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung der SDGs leisten.

Wie passt das Thema zu den generellen Zielen der Bundesregierung?

Inklusion ist ein Teil des Menschenrechtskonzepts. Die Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen proklamiert ein diskriminierungsfreies Leben für alle. Das Verbot der Diskriminierung im Konzept, das aus dem Jahr 1949 stammt, wurde später durch die Behindertenrechtskonvention ergänzt, die 2008 in Kraft trat. Ziel des Übereinkommens ist es, die Gleichberechtigung explizit für Menschen mit Behinderungen festzuschreiben und ihnen damit Zugang zu verbrieften Rechten zu verschaffen. Deutschland ist der Konvention 2009 beigetreten und hat die Vorgaben von dort seither in verschiedenen Gesetzen konkretisiert.

Wird es konkrete Ergebnisse geben bei dem Gipfel?

Das Herzstück wird eine Berlin-Amman-Erklärung bilden, in der sich die teilnehmenden Länder dazu verpflichten, Inklusion weiter voranzutreiben. Die Geberländer aus dem Norden wollen zudem vereinbaren, künftig gemeinsam 15 % ihrer Entwicklungsgelder für Inklusion vorzusehen. Zum ersten Mal wird ein konkretes Ziel definiert; das ist ein Novum.

Was bedeutet diese Vereinbarung für die deutsche Entwicklungszusammenarbeit?

Im Einzelnen müssen wir das noch sehen, weil es nicht zuletzt von den konkreten Vorgaben der Bundesregierung dazu abhängt. Aber klar ist, dass das 15%-Ziel dazu führen wird, konkrete Fortschritte bei der Umsetzung der Vereinbarung zu erreichen.

Mann mit Sehbeeinträchtigung läuft mit Stock und orientiert sich an Bodenvertiefungen.
Inklusion ist noch nicht allenorts selbstverständlich.

Wird es weitere Vereinbarungen geben?

Wir als KfW Entwicklungsbank werden uns nochmal ausdrücklich zu Inklusion bekennen, sowohl in unserem Portfolio als auch bei uns als Institution. Zudem wird in Berlin eine Absichtserklärung zwischen dem BMZ und Jordanien für eine Schuldenumwandlung unterzeichnet. Angedacht und vom BMZ noch final zu genehmigen ist es, einen Teil der Mittel für Investitionen in den jordanischen Bildungssektor einzusetzen. Dort gehen derzeit wegen verschiedener Hürden nur ungefähr 8 % der Kinder mit Beeinträchtigungen in öffentliche Schulen. Mit den Mitteln sollen – auch physische – Barrieren abgebaut werden, damit diese Quote steigt.

Welchen Stellenwert nimmt Inklusion in KfW-Projekten mit den Partnerländern ein?

Seit Anfang 2024 gibt es dafür einen sogenannten Marker, mit dem wir messen können, welche Projekte Inklusionsthemen adressieren. Es ist wichtig, dass das Thema Inklusion bei der Planung und Vorbereitung unserer Vorhaben systematisch mitgedacht wird.

Gibt es Themen und Sektoren, die sich besser für Inklusion eignen als andere?

Bei zielgruppennahen Vorhaben etwa im Bereich Bildung oder Gesundheit lassen sich Inklusionsaspekte sicherlich leichter einbauen als bei großer Infrastruktur, wie etwa einer Kläranlage oder neuen Stromtrassen. Aber auch bei Infrastruktur kann Inklusion eine wichtige Rolle spielen, z. B. im Mobilitätssektor bei der Finanzierung von Barriere-freien S-Bahnen oder Bussen.

Die Projekte sind eine Seite; wie sieht es mit Inklusion in der Entwicklungsbank selbst aus?

Es ist uns gelungen, hier in den letzten Jahren deutlich voranzukommen, u. a. gibt es ein vom Vorstand unterstütztes Task Team Inklusion, das viel auf die Beine gestellt hat. Die Schwerbehindertenquote in der Entwicklungsbank konnte von 2,9 % im Jahr 2022 auf 5 % Ende 2024 deutlich erhöht werden. Wir können von diversen Teams mit möglichst vielen Perspektiven, Erfahrungen und Kompetenzen als Entwicklungsbank nur profitieren in unserem politisch, menschlich und inhaltlich sehr anspruchsvollen Tätigkeitsfeld.