Interview mit Steffen Beitz
Ein Gespräch mit dem KfW-Büroleiter in Mosambik. Steffen Beitz spricht im Interview mit Friederike Bauer über die Höflichkeit der Menschen und wo die Haupthindernisse für schnellere Fortschritte liegen.
Die große Freundlichkeit und Höflichkeit der Menschen habe ich so noch in keinem Land erlebt. Das geht über alle Generationen und Bildungsschichten hinweg und gilt selbst in einer Millionenstadt wie Maputo, wo sich die Leute auf der Straße wahrnehmen, wie bei uns nur auf dem Dorf. Ich wohne 700 Meter vom KfW-Büro entfernt und lege die Strecke zu Fuß zurück. Auf dem Weg dorthin grüßen mich alle Menschen, denen ich begegne. Davon könnten wir uns eine Scheibe abschneiden.
Ja, in den Städten und an den Küsten. Der portugiesische König hat schon Anfang des 19. Jahrhunderts ganz rational entschieden, um das Überleben der Kolonie zu sichern, dass sich portugiesische Männer auch mit einheimischen Frauen verheiraten dürfen. Dazu kommt, dass Mosambik eine sehr lange Küste von mehr als 2.000 Kilometern hat, über die Menschen aus Asien und dem arabischen Raum ins Land kamen. Und alle leben selbstverständlich nebeneinander und miteinander. Auch das könnten sich andere Länder von Mosambik abschauen.
Mosambik hat großes Potenzial: es hat reiche Bodenschätze und viele talentierte junge Menschen. Aber es gibt einen großen Stadt-Land-Unterschied. Maputo bietet einen sehr hohen Lebensstandard. Hier merkt man nicht unbedingt, dass man sich in einem der ärmsten Länder der Welt befindet. Die Armut wird greifbar, wenn man das Land bereist. Rund 40 % der Menschen in Mosambik sind Analphabeten, die Hälfte hat keinen Strom und rund 70 % müssen von weniger als 2,15 Dollar pro Tag leben. Es gibt eine kleine reiche Oberschicht und eine kleine städtische Mittelschicht. Ihnen steht die restliche, vor allem ländliche Bevölkerung gegenüber, die von der Hand in den Mund lebt. Das gilt besonders für Frauen. Dazu kommen Dschihadisten, die das Land vor allem im Norden terrorisieren, und Zyklone, die regelmäßig große Schäden anrichten. Mosambik hat insgesamt schwierige Rahmenbedingungen, auch aus historischen Gründen.
Die portugiesischen Kolonien wurden erst spät in die Unabhängigkeit entlassen, Mosambik 1975. Damals gab es zum Beispiel keinen einzigen Lehrer mehr im Land, denn die Portugiesen hatten keine Einheimischen ausgebildet. Das bedeutet, Mosambik musste – nicht nur im Bildungssektor – bei null anfangen. Nur zwei Jahre später, 1977, begann ein Bürgerkrieg, ein Stellvertreterkrieg im Konflikt zwischen Ost und West, der 15 Jahre dauerte. Danach war das ganze Land traumatisiert, der Boden übersät mit Landminen, die bis heute noch geräumt werden müssen. Es folgte eine Phase der Stabilität und der Entwicklung, auch der Demokratisierung. Doch im Jahr 2016 wurde Mosambik von einem Korruptionsskandal erschüttert: Die Regierung hatte Kredite von Staatsunternehmen in Milliardenhöhe auf verfassungswidrige Weise abgesichert. Ein Großteil der Gelder verschwand über ein groß angelegtes Bestechungs- und Schmiergeldsystem. Das löste im In- und Ausland eine Vertrauenskrise aus, von der sich Mosambik immer noch nicht komplett erholt hat. Es folgten verheerende Zyklone im Jahr 2019, danach kam COVID.
Richtig. All das hat der Wirtschaft schwer zugesetzt und diese im Jahr 2020 um 1,2 % schrumpfen lassen. Die Prognosen für die kommenden Jahre sehen wieder günstiger aus; sie liegen bei 4 bis 5 %. Aber sie setzen alle ein Ankurbeln des Gasgeschäfts voraus. Mosambik hat enorme Gasvorkommen, die es künftig, auch als Flüssiggas, exportieren kann. Allerdings liegen die großen Gasvorkommen genau dort, wo die militanten Dschihadisten ihr Unwesen treiben, was das angestrebte Gasgeschäft verzögert.
Ja, doch es kommt für die Entwicklung des Landes entscheidend darauf an, wie die Einnahmen aus dem Gasgeschäft eingesetzt werden. Mit u.a. norwegischer Unterstützung wurde ein Staatsfonds eingerichtet, der hoffentlich zu Investitionen führt, die einen Nutzen für alle Mosambikaner darstellen. Die Regierung beabsichtigt insgesamt, das Geschäft mit Energieexporten auszubauen. Dazu gehören neben Gas die erneuerbaren Energien, vor allem Wasserkraft, die derzeit einen Anteil von 80 % am Energiemix ausmacht. Schon heute exportiert Mosambik Strom in Nachbarländer. Hier will man zu einem „regional hub“, zu einem regionalen Energiezentrum werden. Denn die Nachfrage aus Ländern wie Simbabwe, Sambia, Malawi und vor allem Südafrika nach Strom sind groß.
Investitionen aus dem In- und Ausland sind dringend nötig. Das umfasst den Bereich Energie genauso wie die Landwirtschaft, die ebenfalls ein enormes Potenzial hat, aber noch stark als Subsistenzwirtschaft betrieben wird. Mosambik ist ein sehr junges Land; jedes Jahr drängen 500.000 junge Menschen auf den Arbeitsmarkt. Sie brauchen eine gute Schul- und Berufsausbildung und dann Beschäftigung. Den Bildungssektor weiter auszubauen, ist deshalb eine zentrale Voraussetzung für weitere Fortschritte. Derzeit fehlen aber zum Beispiel 9.000 Lehrerinnen und Lehrer.
Mosambik ist eine präsidentielle Republik; es gibt Wahlen und ein Mehrparteiensystem. Der nächste Urnengang findet im Herbst statt; der jetzige Präsident Filipe Jacinto Nyusi kann nach zwei Amtsperioden nicht mehr antreten. Es wird spannend zu sehen, wer dann übernimmt. Bis heute dominieren im Übrigen die beiden ehemaligen Bürgerkriegsparteien Frelimo und Renamo die politische Bühne. Positiv hervorzuheben ist, dass sie 2019 ein endgültiges Friedensabkommen geschlossen haben, das weitestgehend umgesetzt ist.
Hauptziel der deutschen Finanziellen Zusammenarbeit ist der Kampf gegen die Armut. Das geschieht über Projekte in Grund- und Berufsbildung, im Energiesektor sowie bei der Förderung kommunaler Infrastruktur und günstiger Kredite für kleine Agrarunternehmen. Bei Energie ist Deutschland der drittgrößte Geber und trägt maßgeblich dazu bei, dass Mosambik die Produktion von erneuerbaren Energien, vor allem in Gestalt von Solaranlagen und Wasserkraftwerken, weiter ausbaut bzw. bestehende Anlagen modernisiert. Das ist auch ein Beitrag zum Klimaschutz. Wir fördern zudem den Ausbau des Stromnetzes. All das hat dazu geführt, dass in wenigen Jahren mehrere Millionen Haushalte zusätzlich Strom erhalten haben. Noch 2014 hatten nur 16 % der Bevölkerung Strom, heute sind es mehr als 50 %. Innerhalb von zehn Jahren wurde ein Riesensprung nach vorn geschafft, an dem auch Deutschland seinen Anteil hat.
Der bürokratische Aufwand ist beträchtlich, die Umsetzungsgeschwindigkeit noch nicht hoch genug. Dazu kommen die insgesamt schwierigen Rahmenbedingungen, von denen ich bereits sprach, die natürlich auch unsere Arbeit beeinflussen.
Ich bin tatsächlich hoffnungsvoll, weil ich sehe, wieviel Kraft und wie viele Talente in diesem Land stecken. Aber es bleibt auch noch Einiges zu tun: Derzeit ist Mosambik ein Land mit großem Potenzial, das es erst noch richtig ausschöpfen muss.
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