Die riesigen Wälder im Südosten Kolumbiens gehören zu den artenreichsten der Welt. Gleichzeitig ist der Amazonaswald ein Garant für den Klimaschutz. Er besitzt eine wichtige Funktion für den Kohlenstoffhaushalt, den Wasserkreislauf und Strahlungshaushalt der Welt. Doch seit Jahrzehnten schrumpft seine Fläche.
Paradoxerweise scheint ausgerechnet durch den Friedensprozess in Kolumbien die Entwaldung zunächst stark zugenommen zu haben. Durch den Rückzug der bewaffneten Gruppen ist ein Machtvakuum entstanden, das der Staat nicht füllen konnte. Dies nutzte die lokale Bevölkerung, um landwirtschaftliche Flächen auszuweiten und insbesondere neue Rinderweiden zu schaffen, denen Waldflächen zum Opfer fielen.
Doch die kolumbianische Regierung setzt sich entschlossen dafür ein, die Entwaldung im Amazonasgebiet zu reduzieren und kann hier aktuell auch Erfolge vorweisen. Inzwischen ist die Entwaldung auf einen historischen Tiefststand gesunken. Bis 2030 soll sie ganz gestoppt werden. Unterstützung bekommt Kolumbien durch einen komplexen Mechanismus, der 2005 im Rahmen der Vereinten Nationen entstand. Unter dem Namen REDD+ (Reducing emissions from deforestation and forest degradation in developing countries) wird ein Rückgang der Entwaldung mit Finanzmitteln belohnt. Dies macht den Schutz von Wäldern als Kohlenstoffspeicher finanziell attraktiv. Das „+“ im REDD+ steht für zusätzliche Aktivitäten zum Schutz des Klimas, etwa die nachhaltige Bewirtschaftung der Wälder.
Übereinstimmend mit REDD+ rief das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) 2011 das REDD Early Movers-Programm (REM) ins Leben. Dieses belohnt Pioniere im Waldschutz, die bereits bestimmte Voraussetzungen für die Teilnahme am REDD+-Mechanismus wie etwa die Einrichtung eines Systems zum Waldmonitoring erfüllt haben, durch ergebnisbasierte Zahlungen. Einer dieser Pioniere ist Kolumbien. Im Rahmen des REM-Programms hat der südamerikanische Staat den Schutz seiner Waldflächen erheblich ausgeweitet.
Der REM-Prozess sieht Zahlungen für nachgewiesene Erfolge vor: Wenn Entwaldung nachweislich vermieden wird, erhält der kolumbianische Staat Finanzmittel, Projektträger ist hierbei das Umweltministerium. Rund 65 % der Mittel aus dem REM-Prozess kommen der lokalen Bevölkerung zugute, der übrige Anteil finanziert die institutionelle Stärkung der Umweltbehörden für wichtige Aufgaben wie Waldmonitoring und die Überwachung der Entwaldung. „Das ist ein transparenter Prozess, der gut zu funktionieren scheint“, sagt Eckart von Reitzenstein, der das Vorhaben als technischer Sachverständiger der KfW unterstützt. Zur Umsetzung des Vorhabens wurde die im Umweltministerium verankerte Initiative Visión Amazonía gegründet, die mit den Gemeinden vor Ort Naturschutzabkommen vereinbart und die nachhaltige Nutzung der Naturressourcen unterstützt. Bisher wurden mehr als 300.000 Hektar Fläche unter Naturschutz gestellt.
Die REM-Mittel sorgen für mehr Einkommen in den Dörfern: Durch Beratung zu Anbaumethoden und Düngung erzielen Kakao-Bäuerinnen und -Bauern höhere Ernten. Bewirtschaftungspläne für neu geschaffene Waldentwicklungszonen legen detailliert fest, welche Mengen an Holz nachhaltig entnommen werden können. In Kolumbien wurden bisher für mehr als 1,1 Millionen Hektar Wald Flächennutzungspläne festgeschrieben. Für einzelne Gemeindewälder wurden nachhaltige Waldbewirtschaftungspläne erstellt. Jetzt läuft der Zertifizierungsprozess nach den strengen ökologischen und sozialen Standards des Forest Stewardship Council (FSC). Um den Wert des Holzes weiter zu erhöhen, ist geplant, ein Sägewerk zu bauen. Schnittholz erzielt höhere Preise als Rundholz – damit ist ein weiterer Schritt zu mehr Wertschöpfung vor Ort geplant. Auch andere lokale Erzeugnisse werden zunehmend vermarktet, etwa die Acaí-Beere, die als Superfood bekannt ist. Rund 25.500 indigene Familien, weitere über 12.200 bäuerliche Familien und 72 von Frauen geförderte Projekte profitieren bisher von den Projekten der Initiative Visión Amazonía.
Damit die REM-Mittel ausgezahlt werden können, muss das Ausmaß der Entwaldung gemessen werden. Dazu dienen Satellitenbilder, die die Vegetationsarten der Erdoberfläche zeigen, etwa Wald, Weideflächen oder Gemüseanbau. Auf Basis dieser Bilder wird das Ausmaß der Entwaldung bestimmt und die Höhe der Zahlungen für eine vermiedene Entwaldung errechnet. Dieses Monitoring per Satellit und die nötigen Kapazitäten für die Auswertung werden mit den rund 35 % der REM-Mittel finanziert, die nicht an die Gemeinschaften vor Ort gehen, sondern im kolumbianischen Umweltministerium verbleiben. Ferner wird ein nationales Register für Treibhausgasemissionen in Form einer Online-Datenbank eingerichtet, die alle Transaktionen verzeichnet.
2024 konnte die erste Phase des Vorhabens abgeschlossen werden. Deutschland, Norwegen und Großbritannien haben in dieser Phase gemeinsam rund 87 Mio. US-Dolla an Kolumbien ausgezahlt, um Emissionsminderungen in Höhe von ca. 17,5 Mio. Tonnen Kohlendioxid-Äquivalenten aus vermiedener Entwaldung zu honorieren (5 US-Dollar pro Tonne). Eine zweite Phase mit Zuschüssen des BMZ (bis zu 20 Mio. Euro) und Norwegens (rund 14 Mio. Euro) wird seit 2023 umgesetzt.
„In Kolumbien wird das REM-Programm viel diskutiert und man ist sehr stolz darauf“, hat KfW-Sachverständiger Eckart von Reitzenstein bei einem Besuch in Bogotá festgestellt. „Das Programm hat einen hohen umweltpolitischen Stellenwert im Land.“ Seine Umsetzung zeigt beispielhaft, wie der REM-Mechanismus zum Wald- und Klimaschutz beitragen kann.
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