Die Böden im indischen Andhra Pradesh sind ausgelaugt und heruntergewirtschaftet. Durch jahrelangen Einsatz von Pestiziden und teils unsachgemäßem Gebrauch von Dünger ist das Bodenleben zerstört. Mehr als 60 % der Böden in dem indischen Bundesstaat werden als degradiert eingestuft. Das hat verheerende Konsequenzen nicht nur für die Umwelt, sondern vor allem auch für die Bäuerinnen und Bauern. 62 % der Menschen in Andhra Pradesh leben von der Landwirtschaft. Durch den Kauf von Düngemitteln und Pestiziden haben sich viele von ihnen verschuldet. Infolge des Klimawandels nehmen Dürren und Starkregen zu. Dadurch fallen Ernten aus, was die Bauernfamilien in weitere Not stürzt.
Der Bundesstaat Andhra Pradesh setzt auf ökologische Methoden, um die Lage der Landwirtschaft zu verbessern und die Böden zu regenerieren. Er fördert gezielt eine als „natürliche Landwirtschaft“ bezeichnete Anbaumethode, die auf den Einsatz lokaler Ressourcen setzt. Die Pflanzen werden mit Kuhdung gedüngt, Samen umkleidet, Beete gemulcht und pflanzliche Extrakte zur Bodenverbesserung und dem Schutz vor Schädlingen eingesetzt. Die einzelnen Methoden für sich genommen sind nicht neu, werden aber in Indien in dieser Kombination einzigartig eingesetzt und vor Ort weiterentwickelt.
Die natürliche Landwirtschaft fördert die Bodenfruchtbarkeit und die Resilienz der Pflanzen. Ein gesunder Boden kann mehr Wasser zurückhalten als ein degradierter. Die gestärkten Pflanzen widerstehen Krankheiten und Schädlingen besser. Da sie mehr Wurzeln entwickeln als im konventionellen Anbau, überstehen sie auch Starkwetterereignisse leichter. Die kleinbäuerlichen Familien müssen sich nicht mehr verschulden, weil sie keinen synthetischen Dünger und keine Pestizide mehr benötigen.
Das Ziel der indischen Regierung ist es, in den nächsten zehn Jahren alle sechs Millionen bäuerlichen Betriebe in Andhra Pradesh auf diese klimaresiliente natürliche Landwirtschaft umzustellen. Hierfür hat die KfW im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) ein Darlehen über 90 Mio. Euro und einen Zuschuss von 1 Mio. Euro für das Projekt „Andhra Pradesh Climate Resilient Zero Budget Natural Farming“ zur Verfügung gestellt. Diese Mittel sollen bis 2027 rund 500.000 Kleinbäuerinnen und Kleinbauern helfen, auf die Anbaumethoden des „natural farming“ umzustellen. Sie werden gemäß des "ergebnisbasierten Ansatzes" ausgezahlt. Das heißt, die Mittel werden jeweils nach Erreichen vorher vereinbarter, nachprüfbarer Ergebnisse angewiesen. Das Gesamtprogramm will weit mehr Familien erreichen, bisher haben bereits 800.000 Kleinbetriebe ihren Anbau umgestellt.
Vor allem Frauen treiben den Wandel in Andhra Pradesh voran. Da viele von ihnen den Großteil der landwirtschaftlichen Arbeit erledigen, sind sie es, die die neuen Wege erproben. Viele von ihnen sind in Selbsthilfegruppen organisiert und helfen mit, für die natürlichen Anbaumethoden zu werben und sie in den Dörfern zu verbreiten.
Dennoch gibt es viele Vorbehalte. Der naturnahe Anbau wird häufig mit Skepsis betrachtet. In der Tat existieren bisher wenig Evidenz oder wissenschaftliche Nachweise für seine Vorteile. Doch das soll sich ändern: Das auch mit deutscher Hilfe gegründete Institut „Indo German Centre for Agro-ecological Research & Learning“ (IGGCARL) erforscht die Auswirkungen der agrarökologischen Anbaumethoden auf Erträge, Wirtschaftlichkeit und Ernährungssicherheit.
Die Bemühungen der indischen Regierung und der kleinbäuerlichen Familien wurden nun auch international anerkannt: Das nachhaltige Landwirtschaftsprogramm wurde 2024 als einer von drei Preisträgern mit dem „Gulbenkian Preis für Humanity“ der portugiesischen Gulbenkian-Stiftung ausgezeichnet.
Doch das Wichtigste bleibt, dass die kleinbäuerlichen Familien ihren Schulden entkommen und von ihren Ernten leben können.
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