Besser qualifiziert, mehr Chancen auf dem Arbeitsmarkt

Ein Fonds fördert Berufsbildungsprogramme in sechs Ländern des Balkans

Chef kontrolliert die Arbeit des Lehrlings

Die Länder des Westbalkans stehen vor einer paradoxen Situation: Auf der einen Seite suchen Unternehmen dringend nach qualifizierten Fachkräften, andererseits leidet die Region unter hoher Arbeitslosigkeit. Das gilt besonders für Jugendliche, deren Arbeitslosenrate bei zwischen 24 und 49 % liegt. Ein wesentlicher Grund für dieses Missverhältnis ist die mangelnde Qualität der beruflichen Bildung und ihre Distanz zum eigentlichen Arbeitsmarkt.

Berufs- und Hochschulen sind stark unterfinanziert auf dem Westbalkan und verfügen meist nicht über eine passende, moderne Infrastruktur und Ausstattung. Zudem sind die Trainingsmethoden häufig veraltet, Dozentinnen und Lehrer nicht gut genug aus- und fortgebildet. Vor allem aber besteht zu wenig Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft, um deren Bedarf durch entsprechende Ausbildungsinhalte zu erfüllen. Daraus ergibt sich ein eklatanter Mangel an ausreichend qualifiziertem Personal, der die Wachstumsaussichten der Region gefährdet. Studien zufolge liegt darin sogar eines der größten Hindernisse für die weitere wirtschaftliche Entwicklung dort.

KfW gründet einen Regional-Fonds

Um hier gegenzusteuern, hat die KfW im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) den „Regional Challenge Fund“ gegründet. Er verfolgt das Ziel, Studierende und Berufsschüler besser auszubilden, um ihre Beschäftigungsfähigkeit zu erhöhen. Für Berufsschüler geschieht das - ähnlich wie im deutschen dualen System - in erster Linie durch eine enge Zusammenarbeit mit privaten Unternehmen, um die Ausbildungsinhalte stärker dem Bedarf des Arbeitsmarktes anzupassen.

Der Fonds arbeitet in den sechs Volkswirtschaften Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nord-Mazedonien und Serbien. Dort fördert er Konsortien aus staatlich anerkannten Berufsschulen und privaten Unternehmen, die sich um Unterstützung aus dem Fonds für gemeinsame Berufsbildungsprojekte bewerben können. Das gilt sowohl für bessere Infrastruktur und Ausstattung als auch für die Ausbildungsinhalte und die Fortbildung von Lehrkräften. Umsetzungspartner ist das „Western Balkans 6 Chamber Investment Forum“ (WB6 CIF), ein regionaler Kammerverband. Auch Hochschulen können sich um Fördermittel des RCF bewerben.

Die ersten drei Ausschreibungen haben bereits stattgefunden - und ein überwältigendes Echo hervorgerufen. 528 Unternehmen und Institute zeigten Interesse an einer Förderung, am Ende wurden 99 Projekte aus den sechs Ländern ausgewählt. 4.200 Auszubildende und Studierende profitieren pro Jahr von dem Programm.

Viele Menschen in einer Werkstatt

Überwältigendes Interesse

Die beteiligten Unternehmen kommen fast zur Hälfte aus dem verarbeitenden Gewerbe, zudem aus der IT-Branche, dem Gesundheitswesen oder der Tourismusbranche. Darunter befinden sich sowohl Mini-Firmen als auch Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. 44 Mio. Euro Fördermittel wurden bereits zugesagt.

Zusätzlich wird der Fonds über das WB6 CIF einen regionalen Dialog fördern, damit sich Bildungsakteure über ihre Erfahrungen austauschen können. Nicht zuletzt sollen die Aktivitäten des Challenge Fund auch dazu beitragen, die Länder an die entsprechenden EU-Standards heranzuführen. Denn alle sechs streben in die EU und müssen sich dafür auf den unterschiedlichsten Gebieten den Vorgaben der Europäischen Union annähern; das gilt auch für den Bildungssektor.

Drei Beispiele aus Bosnien und Herzegowina zeigen, wie unterschiedlich die Maßnahmen sind, in die investiert wird:

Pamela Bejdic ist Professorin an der tiermedizinischen Fakultät und seht neben mehreren Skeletten von Tieren
Pamela Bejdić ist Professorin an der tiermedizinischen Fakultät.

An der Veterinärmedizinischen Universität Sarajevo werden zwei Unterrichtsräume renoviert und Tiermodelle angeschafft. Dazu Pamela Bejdić, Professorin für Tiermedizin „In ethischer Hinsicht werden wir Pioniere sein, denn wir werden den Studierenden die Möglichkeit geben, zunächst an Modellen zu üben, bevor sie mit lebenden Tieren arbeiten. Unsere Fakultät wird auf dem neuesten Stand der Technik sein und zu den besten in Europa gehören. Beispielsweise wird ein großes Hundemodell angeschafft, an dem alle möglichen Operationen geübt werden können. Außerdem planen wir, ein weiteres Hundemodell, ein Schwein, eine Kuh, zwei Katzen sowie Teilmodelle für Kastrationen anzuschaffen. Ein Ultraschallgerät und ein Blutanalysegerät sollen ebenfalls angeschafft werden.“

Azra Bašić, Direktorin der Berufsschule in Ilijaš
Azra Bašić, Direktorin der Berufsschule in Ilijaš.

In einer Berufsschule in Ilijaš werden Mechatroniker und Maschinenbauer ausgebildet. Hier sollen die Gebäude innen und außen saniert werden, Böden, Fenster und Türen werden ausgetauscht. Modernste Technik – auch im IT-Bereich – wird angeschafft.

Emir Djulic von der Hochschule für Maschinenbau in Zenica bedient eine Maschine
Emir Đulić von der Hochschule für Maschinenbau in Zenica.

Mit 500.000 Euro wird die Hochschule für Maschinenbau in Zenica gefördert. Emir Đulić, wissenschaftlicher Mitarbeiterin des Fachbereichs Produktionstechnik dazu: „Unsere Universität hat zehn Partnerunternehmen, und während der vierjährigen Ausbildung versuchen wir, die Studierenden mit diesen Unternehmen zu vernetzen, sie beispielsweise Praktika absolvieren zu lassen. Zudem möchten wir, dass Fachleute aus den Unternehmen kommen, um den Studierenden den Umgang mit den Maschinen beizubringen. Wir unterrichten auch Metall- und Holzbearbeitung - ein wichtiger Sektor der lokalen Wirtschaft.“