Mehr als ein Dach über dem Kopf

Der seit 2022 andauernde Krieg Russlands gegen die Ukraine stellt das Land vor große Herausforderungen. Fast vier Millionen Menschen sind derzeit innerhalb der Ukraine auf der Flucht und benötigen dringend eine neue Unterkunft. Doch in den aufnehmenden Gemeinden herrscht häufig Wohnungsnot. Sie können angemessenen, bezahlbaren Wohn­raum vielerorts nicht zur Verfügung stellen. Daher unterstützt die KfW die Ukraine im Auftrag der Bundesregierung mit mehr als 170 Mio. EUR bei der Schaffung von Wohnraum für Binnenvertriebene.

Akute Wohnungsknappheit

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine stellt die Kommunen vor hohe Herausforderungen. So sind (Stand: Februar 2024) fast vier Millionen Menschen innerhalb der Ukraine auf der Flucht – zu Kriegsbeginn waren es sogar mehr als sieben Millionen. Sie suchen in Gebieten Zuflucht, die weniger stark von Angriffen und Zerstörung betroffen sind. Darunter befinden sich viele Menschen, die bereits mehrfach vertrieben worden sind, z.B. nach den russischen Angriffen von 2014 auf die Ostukraine.

Nach Schätzungen des Rapid Damage Needs Assessments 3, das gemeinsam von der ukrainischen Regierung, der Weltbank, der Europäischen Kommission und den Vereinten Nationen erstellt wurde, belaufen sich die Kosten für Wiederherstellung und Wiederaufbau derzeit auf 486 Mrd. USD/440 Mrd. EUR – das 2,5-fache des tatsächlichen BIP der Ukraine im Jahr 2023. Dabei ist der Bedarf an Wohnraum besonders groß: etwa 10 % des gesamten Wohnungsbestandes der Ukraine sind durch Kriegsfolgen beschädigt oder zerstört, Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer suchen nach einer neuen Unterkunft. Insbesondere für Binnenvertriebene ist die Wohnungsfrage im Moment das drängendste Thema. Doch auch diejenigen, die nicht fliehen mussten, befinden sich oft in einer prekären Wohnsituation, denn viele Gebäude waren bereits vor dem Krieg in einem sanierungsbedürftigen Zustand. Aufgrund einer Privatisierungswelle Anfang der 1990er Jahre steht kaum kommunaler und sozialer Wohnraum zur Verfügung, und die derzeitige Gesetzeslage erschwert relevante Reformen des Wohnungssektors (z.B. Mietkaufoptionen). Der bestehende Finanzierungsbedarf für ausreichenden Wohnraum übersteigt die Möglichkeiten von Staat und Kommunen deutlich.

Hände halten ein Foto von einem Haus in Kyiw, dass durch den russischen Angriffskrieg zerstört wurde
Vorfreude auf den (Wieder-)Einzug: Ivan B., 70, mit einem Foto des Gebäudes, in dem er gewohnt hat. Das Haus in einem Vorort von Kyjiw wurde bei einem russischen Raketen­angriff zerstört, seine Wohnung verwüstet. Während der Explosion haben sich die Bewohnerinnen und Bewohner im Keller in Sicherheit gebracht.

Der KfW-Beitrag zur Schaffung und Finanzierung von Wohnraum

Die KfW blickt auf eine langjährige Kooperation mit der Ukraine im Bereich Wohnraum zurück: Bereits seit 2014 unterstützt sie das Land mit Mitteln der Bundesregierung dabei, Kapazitäten im Bereich Wohnraum zu schaffen. Im Mittelpunkt stehen dabei Binnenvertriebene und Rückkehrende. Doch auch die Bewohnerinnen und Bewohner aufnehmender Gemeinden profitieren von den Maßnahmen, da die Kommunen zum einen die Möglichkeit haben, einen Teil des geschaffenen Wohnraums auch ihnen zur Verfügung zu stellen. Zum anderen reduziert sich der Druck auf den Wohnungsmarkt insgesamt. Zudem verfolgt die KfW einen Ansatz, bei dem die Schaffung von Wohnraum (sofern möglich) durch die Bereitstellung von sozialer Infrastruktur wie z.B. Kinder­gärten oder Gesundheitsstationen ergänzt wird. Die Kombination trägt dazu bei, die Lebensbedingungen der Bevölkerung vor Ort insgesamt zu verbessern. Energieeffizienz ist ein weiteres Charakteristikum des KfW-Ansatzes: Bei Sanierung und Neubau wird besonders Wert darauf gelegt, die Gebäude hitze- und kälteresistent zu machen und so die Vulnerabilität auch für die Zukunft zu reduzieren. Das ist nicht nur mit Blick auf CO2-Einsparungen wichtig, sondern schont damit ein besonders knappes Gut in der Ukraine – Energie.

Derzeit finanziert die KfW in der Ukraine vier Programme mit unterschiedlichen staatlichen sowie nicht-staatlichen Trägern. Da nicht alle Binnen­ver­trie­benen über die gleichen (v.a. finanziellen) Möglichkeiten verfügen, bieten diese Programme unterschiedliche Optionen an, die sich an den jeweiligen Bedürfnissen orientieren:

  • Bereitstellung von Sozialwohnungen, wobei die Bewohnerinnen und Bewohner nur die Nebenkosten und ggf. auch Mietzahlungen übernehmen müssen;
  • zinsverbilligte Darlehen für jene Binnenvertriebenen, die eine Wohnung erwerben möchten.

Die laufenden Projekte der KfW im Wohnungssektor in der Ukraine belaufen sich derzeit auf gut 170 Mio. Euro. Dabei handelt es sich ausschließlich um Zuschüsse.

Wohnraum schaffen

Mit dem Projektträger Ukrainian Social Investment Fund (USIF), einer gemeinnützigen Organisation, arbeitet die KfW seit 10 Jahren zusammen, um im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) Wohnraum für Binnenvertriebene zu fördern. Dabei werden bestehende Wohnungen für binnenvertriebene Familien – bislang für 1.000 Personen – energieeffizient rehabilitiert. Derzeit werden weitere Objekte modernisiert, die Wohnraum für 800 Binnenvertriebene schaffen sollen. Da die Verfügbarkeit von zur Rehabilitierung geeignetem Wohnraum-Bestand abnimmt, wird zukünftig auch der Neubau geprüft, um die Wohnungsnot zu lindern.

Über die International Organisation on Migration (IOM) wird zusätzlicher Wohnraum für Binnenvertriebene geschaffen durch Instandsetzung oder Umbau von Bestandsimmobilien. Hinzu kommt kosteneffizienter Neubau in Fertigmodulbauweise. Zielgruppe sind bedürftige Binnenvertriebene, die hierüber Zugang zu Sozialwohnungen zunächst in den Regionen Kiew, Lwiw, Chernivtsi, Winnyzja und Iwano-Frankiwsk erhalten. Die fertigen Objekte sollen in kommunales Eigentum und Trägerschaft übergeben und als „Affordable Housing“ vermietet werden.

Hierdurch entstehen Einnahmen, die die Kommunen für weitere Bau- oder Umbau-Projekte verwenden sollen. Dadurch kann es langfristig zum allmählichen Auf- und Ausbau eines Bestands an Sozialwohnungen kommen (Revolving Fund-Konzept). In einer weiteren Phase wird das Engagement geographisch ausgeweitet. Insgesamt sollen in dem Programm bis zu 2.400 Wohneinheiten für Binnenvertriebene und Rückkehrer entstehen. Außerdem betreibt das Vorhaben maßgeblich den Politikdialog zur Stärkung von Optionen für sozialen und erschwinglichen Wohnraum auf kommunaler Ebene, die in der aktuellen Gesetzeslage nur bedingt möglich sind.

Mit der internationalen Nichtregierungsorganisation Norwegian Refugee Council (NRC) werden vom Krieg betroffene Menschen durch Bau, Reparatur und Wiederaufbau kleinvolumiger Infrastruktur in den Bereichen Energie, Wasser und Abwasser sowie ergänzender sozialer Dienstleistungen unterstützt. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf Wohnraum. Zudem bietet das Vorhaben Rechtsbeistand bei Fragen von Wohn-, Land- und Eigentumsrechten an. Von der Instandsetzung von Wohnraum werden 1.500 Menschen profitieren, zusätzlich wird die Verbesserung kommunaler Infrastruktur nahezu 10.000 Menschen zugute kommen.

Bild von einem Mann, einer Frau und ihrem Kind in einer modernen Küche, die im Hintergrund zu sehen ist.
Zweimal vertrieben, aber nun zu Hause: Ehine wurde 2014 zu einer Binnenvertriebenen und musste ihre Heimat im Osten der Ukraine verlassen. Acht Jahre später, im Jahr 2022, flüchtete sie erneut vor dem russischen Angriffskrieg, zunächst ins Ausland. Sie kehrte aber bald in die Ukraine zurück. Mit Hilfe eines von der KfW mitfinanzierten Kredits konnte sie sich eine eigene Wohnung in Kyjiw kaufen. Dort lebt sie nun mit ihrem Mann und ihrem Sohn.

Wohnraum finanzieren

Seit 2016 unterstützt die KfW im Auftrag des BMZ die Vergabe von zinsverbilligten Wohnungskauf-Darlehen über den State Fund for Support of Youth Housing Construction (SFYH). Zielgruppe sind Binnenvertriebene mit ausreichender Bonität, die Teilnehmenden an der Kreditwürdigkeitsprüfung werden im Losverfahren bestimmt. Bislang wurden 660 Kredite ausgereicht. Es handelt sich um einen revolvierenden Fonds, d.h., Zinsen und Rückzahlungen der Kreditnehmenden können für neue Kredite an weitere Binnenvertriebene eingesetzt werden. Das Vorhaben wurde 2023 aufgestockt, da der Bedarf an Wohnraumkrediten unter Binnenvertriebenen nach wie vor sehr hoch ist. Zudem steigen die Preise für Wohnungen in als sicher geltenden Regionen ständig. Privates Wohneigentum fördert die soziale Integration und stellt gleichzeitig aufgrund des Mangels an staatlichen Absicherungssystemen eine wichtige Säule der privaten Absicherung dar.

Wirkungen

Über die genannten Programme und Ansätze werden insgesamt voraussichtlich mehr als 9.000 Personen von der Schaffung und Rehabilitierung von erschwinglichem Wohnraum profitieren, der Großteil davon Binnenvertriebene. Zusätzlich wurden bereits 660 Kredite zur Finanzierung von Wohnraum vergeben, das entspricht etwa 2.000 Personen.

Projektdaten

ZielSchaffung von erschwinglichem Wohnraum für Binnenvertriebene und aufnehmende Gemeinden in der Ukraine, Verbesserung der Lebensqualität vor Ort
Gesamtvolumen170 Mio. EUR (laufendes Portfolio, Stand: Januar 2024)
ProjektpartnerUkrainian Social Investment Fund (USIF), State Fund for Support of Youth Housing Construction (SFYH), International Organisation on Migration (IOM), Norwegian Refugee Council (NRC)
AuftraggeberBundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ)